Der halbvolle Tank

Meine Frau tankt ihr Auto nicht mehr voll. Schon seit ein paar Wochen. Es steht sowieso bald ein Wechsel an, wir haben ein neues Auto bestellt. Und jetzt weiß man ja nie so genau: Wie lange brauchen wir den Alten noch? Wie viel Sprit wird noch verbraucht? Lohnt sich das überhaupt noch, den Tank ganz vollzumachen?

Darum fährt sie mit halbem Tank. Genug, um noch eine Weile zu kommen. Aber eben nicht mehr auf Vorrat.

Ich habe das erst gar nicht so richtig beachtet. Bis mir aufgefallen ist, dass darin eigentlich ziemlich viel Weisheit steckt. Wir sind so sehr daran gewöhnt, immer alles möglichst gut abzusichern. Alles aufzufüllen. Möglichst Vorräte schaffen. Für alle Fälle gerüstet sein. Bloß keine Lücke lassen.

Dabei wissen wir doch alle: Unser Leben lässt sich nicht wirklich auf Vorrat leben. Es bleibt immer ein Stück Ungewissheit. Keiner von uns weiß, wie lange der Weg noch geht, was morgen ist, was wir noch brauchen werden und was nicht mehr.

Jesus sagt es im Matthäusevangelium sehr schlicht: „Sorget nicht für den morgigen Tag.“ (Matthäus 6,34)

Damit meint er ja nicht, dass wir gedankenlos und planlos leben sollen. Aber er lädt uns ein, das Vertrauen wieder einzuüben. Nicht alles kontrollieren zu wollen. Nicht für alle Eventualitäten gerüstet sein zu müssen. Sondern heute zu leben. Mit dem, was wir haben. Mit dem, was reicht. Mit einem halbvollen Tank eben.

Und am Ende ist das vielleicht sogar ganz heilsam. Es macht das Leben leichter. Es nimmt ein bisschen Druck raus. Es erinnert uns daran: Ich muss nicht immer alles fest im Griff haben. Ich darf vertrauen, dass ich genug habe für heute. Und dass es morgen auch wieder reichen wird.

Und sollte es doch einmal knapp werden, dann gibt es ja immer noch Tankstellen. Nicht nur für Autos.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner