Durststrecken und Quellen
Es gibt einen Moment, den ich aus der Klinik kenne. Wenn ein Patient nach langer Zeit wieder trinken darf. Nach einer OP, nach Tagen des Fastens. Dann reicht oft schon ein kleiner Becher, ein Schluck, ein feuchter Tupfer auf den Lippen. Und man sieht: da wird jemand lebendig. Nicht spektakulär. Aber spürbar.
Durst ist nicht nur körperlich. Auch die Seele hat ihren Durst. Nach Ruhe. Nach Sinn. Nach einem Leben, das mehr ist als Termine und Pflichten. Nach jemandem, der bleibt. Auch dann, wenn man selber kaum noch weiß, wonach man eigentlich sucht.
„Er führt mich zum frischen Wasser“, heißt es in Psalm 23,2. Nicht: Ich finde es selber. Sondern: Er führt mich. Dorthin, wo es lebt. Wo etwas aufatmet. Wo der Durst nicht weggeschoben wird, sondern ernst genommen. Nicht jeder Weg ist eine Quelle. Aber der, der führt, kennt sie.
Das „frische Wasser“ ist kein stillgelegter Brunnen. Kein abgestandenes Becken. Es ist lebendig. Beweglich. Manchmal kaum sichtbar. Ein Gespräch, das mich berührt. Ein Lied. Ein Satz aus der Bibel, der mitten ins Herz fällt. Ein Moment, in dem ich merke: Ich bin nicht verdorrt. Ich lebe noch.
Ich habe Durst nach Sinn. Nach Leichtigkeit. Nach einem Glauben, der nicht alles erklärt, aber trägt. Und ich hoffe, dass einer mich dorthin führt. Zu solchen Momenten. Nicht weil ich es verdient habe. Sondern weil er es kann. Weil er es versprochen hat.
Wenn ich ehrlich bin, bin ich oft unterwegs mit trockener Kehle. Aber dann denke ich an diesen Satz. Und ich glaube: Die Quelle versiegt nicht. Sie ist nicht weit. Und wer führt, der weiß den Weg. Auch zu mir. Auch heute.